I Love God.

Interview in der Zeitschrift „kunst und kirche“ von Johannes Rauchenberger

Johannes Rauchenberger: Zenita Komad, Leben entfaltet sich mitunter sehr polar. Mit dieser eigenen Werkerfahrung Ihrer Arbeit gegenüber möchte ich dieses Gespräch beginnen: In Ihrer jüngsten Ausstellung „Sei Licht für die Welt“ war ein Brief zu sehen, der als „Brief an Gott“ betitelt war. In den letzten 15 Jahren, in denen ich mit Kunst beschäftigt bin, ist mir kein einziges Mal eine derartige Ungebrochenheit und Direktheit, wahrscheinlich auch Aufrichtigkeit widerfahren, Gott zu benennen, ihn zu preisen und ihn zu bitten. Üblich ist doch vielmehr die Negation, der Schatten, die Folie, mitunter die Übertreibung. Oder auch die Blasphemie. Das Merkwürdigste dabei: Ich selbst stieß durch zwei sehr religionskritische Werke auf Ihre weitere Arbeit: „Religion is dangerous“ und, in Kreuzform geschrieben: „Do you take yourself serious?“ Das erinnert ja fast an Paulus. Wie würden Sie diese große Klammer in den Bildaussagen für sich beschreiben?

Zenita Komad: Gott hat für mich nicht unbedingt mit Religion zu tun und nicht automatisch mit Institution. Mit Gott zu sprechen war für mich schon als Kind eine Notwendigkeit. Es ist eine Liebesbeziehung, die durch Zweifel und Unsicherheiten gefährdet wird. Seit die Wissenschaft, Quantenphysik, Molekularbiologie, etc. über die Anerkennung „der höchsten Instanz “ spricht, werden die meisten Menschen wieder hellhöriger. Die Forschungsergebnisse vieler Quantenphysiker sind die, dass Gott die Quelle aller Energien und jeglicher Materie im Universum ist! Beginnend mit Heisenberg und Einstein, weiteren spektakulären Entwicklungen und den Erkenntnissen über Elementarteilchen, der Biophysik, etc. In unserer Gesellschaft gibt es immer mehr Notwendigkeit für die Synthese zwischen Wissenschaft, Weisheitslehren und Spiritualität! Die Kunst soll vermitteln, verbinden, und auf eine zugänglichere Art und Weise dienen! Die Gefahr (Religion is dangerous) besteht darin, dass man den Sinn des Lebens und den Sinn der gesamten Existenz außer Acht lässt und einfach nur blinden Gehorsam oder Ungehorsam praktiziert. Es geht um innere Prozesse, die gelebt werden müssen, damit aus Wissen Weisheit werden kann. Institutionen oder Lehrer sowie Religionen können uns helfen oder uns stören, aber die eigentliche Arbeit muss jeder in sich selbst vollziehen. Wenn ich unsere Welt betrachte, stelle ich fest, dass Prioritäten massiv verschoben sind, und dass die Unachtsamkeit eine drastische Kulmination erreicht hat. Auf der einen Seite nehmen wir uns viel zu wichtig, auf der anderen untergraben wir unsere Existenz.

JR: Haben Sie keine Angst, von den harten Kritikern Ihres Fachs desavouiert zu werden, wenn man eine derartige Offensivität der Gottbekundung an den Tag legt? Ein Galerist meinte, höflich und betreten zugleich der Brief an das Christkind sei der letzte Brief gewesen, den er an den lieben Gott geschrieben hätte, … später sei er ausgetreten.
Sie selbst sind nicht getauft, haben aber keine Berührungsängste, auch mit Institutionen zusammenzuarbeiten, die die Religion offiziell vertreten. Spiritualität ist eine Haltung und Erfahrung, die jenseits der Religionen verläuft oder sie – hoffentlich – verbindet. Sie legen keine Scheu an den Tag, das intimste Sprechen, das es gibt, nämlich das Gespräch mit Gott, öffentlich zu machen, aber weit entfernt von irgendeinem Seelenstriptease irgendeines Erweckungserlebnisses. Ist das Kunst? Sind das Sie selbst? Verschmelzen Sie darin? Wenn ich nur einen kleinen Blick in Ihre Ausstellungs- und KritikerInnenbiografie werfe, so behaupte ich zumindest einmal ein wirkliches Erstaunen „Ihrer Kunstentwicklung“ gegenüber …

ZK: Natürlich passiert es mir manchmal, dass mir Menschen sehr skeptisch begegnen, sogar langjährige Freunde konfrontieren mich manchmal mit Urteilen wie „Ach, dieser esoterische Quatsch“. Die Weisen haben gesagt: „Das Reden über Dritte tötet drei: es tötet denjenigen, der spricht, denjenigen, der dies empfängt, und denjenigen, über den geredet wird.“ Tendenziell begegne ich aber mehr und mehr Menschen, die große Freude haben, sich mit dem Thema zu beschäftigen.

Viele Künstler und Künstlerinnen haben sich schon sehr intensiv mit Gott und Spiritualität beschäftigt. Fragen wie „Wer bin ich?“ oder „Was ist meine Aufgabe in der Welt?“ betreffen uns alle gleichermaßen. Seit Jahrtausenden sind das auch die Fragestellungen, die die Kunst mit der Gesellschaft zu klären und aufzuarbeiten versucht. Ein lebbares Gesellschaftskonzept kann nur durch das Erkennen der Grundlagen der spirituellen Welt entstehen.

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JR: Sie standen bislang aber nicht nur auf der Sonnenseite einer Künstlerinnenbiografie, Sie haben dabei auch gleich einen ganzen Kosmos mitgeschaffen. Was ist das eigentlich „Zenita Universe“? Wie hätte ich voranschreiten können ohne Schatten? „Zenita Universe“ ist ein Verbindungswerkzeug. Es ist ein „Kunstwerk“, das versucht, das Schöpfungsprinzip nachzuahmen. Vielleicht ist es eine Art Spielplatz, an dem das Prinzip des Gebens geübt wird und Verbindungen sichtbar und möglich werden. „Zenita Universe“ hat sich eine altruistische Gesellschaft zum Ziel gesetzt. Jeder übernimmt die emotionale Bürgschaft für sein wahrnehmbares Umfeld und spürt dadurch das Band, das all die Teile der Realität miteinander verbindet. Wenn wir uns in „Zenita Universe“ befinden, können wir alles, was es dort gibt, zu einer Wirklichkeit verbinden, die bereits innerhalb unserer Seele besteht. Es gibt auf der Ebene unseres momentanen kollektiven Bewusstseinszustandes keinen Fortschritt: Wir müssen uns einer neuen Ebene zuwenden, die sich außerhalb unseres momentanen Wahrnehmungsspektrums befindet. Diese Gesellschaft wird also nicht als objektive Gegenständlichkeit gesehen, sondern als Raum für subjektive Aktivität. Die individuelle Entwicklung ist nicht damit abgeschlossen, ein soziales Wesen zu sein. Vielmehr ist jemandes endgültige Vollkommenheit von allen Mitgliedern der Gesellschaft abhängig. „Liebe Deinen Nächsten“ sollte eine tägliche Entscheidung sein.

JR: Wie sehen Sie eigentlich Ihre eigene Möglichkeit als junge Künstlerin im System Kunst zu bestehen? Sie sind doch ein wunderbares Beispiel dafür, dass es gehen kann, ohne größere Blessuren davon zu tragen …

ZK: Ich mache Kunst und denke sehr viel über meine Arbeit und meine Existenz nach. Ich habe dabei das Gefühl zu empfangen um zu geben. Ich arbeite und lerne jeden einzelnen Tag und versuche die Welt mit allen ihren Aspekten wohlwollend anzunehmen und besser zu verstehen. Die schönsten Momente sind natürlich, wenn die Muse plötzlich einen großen Kuss gibt. Manchmal habe ich das Gefühl, den Schöpfer zu spüren. Viel ist aber einfach harte Arbeit und wochenlange Vorbereitung, um den Boden für eine gute Ernte zu bestellen.
Ich beschäftige mich nicht mit der Frage nach dem Überleben mit der Kunst, da es mir ein tiefes Bedürfnis ist zu tun, was ich tue. Dieses Urvertrauen ist ein großes Geschenk, das für jeden Menschen verfügbar ist.

JR: Mittlerweile sind Sie im Künstlerlexikon von 2009 „Younger than Jesus“, (Phaidon-Press) unter den 500 weltbesten KünstlerInnen beschrieben. Ich erwähne diesen Titel deshalb, weil er mit dem Hinweis auf das Alter Jesu die Jugendlichkeit in Erinnerung ruft, nicht als Jugendwahn, sondern als jene Unbedingtheit, mit der man eine ganze Weltgeschichte ändern kann. Manchmal habe ich in der Begegnung mit Ihnen das Gefühl, ich müsse mich beeilen, denn dieser Anspruch, diese Nähe, diese Offenheit könnten mit der Zeit und mit den Jahren zugeschüttet werden. Oder anders gesagt: „Younger than Jesus“ darf man Liebesbriefe an Gott veröffentlichen?

ZK: Ja! Wir sollen uns alle beeilen, diese Welt besser zu gestalten und das kann nur in jedem Einzelnen beginnen. JR: „Gott ist nichts“ – damit finden Sie wahrscheinlich einige Kollegen für die Interpretation. Doch Sie haben ein zweites „nicht“ vor dem „nichts“ eingefügt.

ZK: Nicht ist nicht NICHTS!

JR: Ein wesentlicher Aspekt Ihrer Arbeit ist jener der Heilung. Ihre virtuelle Signatur ist immer mit „Art is a doctor!“ unterschrieben … Krankheit ist ja nicht nur eine des Körpers, sondern sie ist oft verbunden mit einer der Seele. Wie haben Sie mit Kunst einen Weg gefunden, damit umzugehen? „Schuld ist Scheiße“ – so ist beispielsweise in einer Ihrer Serien in ein Bild genäht ...

ZK: Die Kunst öffnet die Möglichkeit mit dem Herzen zu denken, ob in Bild oder in Ton. Aus diesem Grund muss der Künstler und die Künstlerin Verantwortung dafür tragen, was er oder sie in die Welt setzt. Die Medien, die Künstler und Künstlerinnen nützen, haben Frequenzen, die tiefere Schichten berühren. Beschäftigung mit Spiritualität oder der Versuch, hinter die Kulissen zu sehen, ist der stärkste Heilungsprozess im Leben eines Menschen. Ich gehe sogar so weit zu behaupten, dass die ganzheitliche Heilwerdung unsere Bestimmung und Aufgabe ist. Wir befinden uns in einer höchst intensiven Zeit für die gesamte Menschheit: einer der spirituellen Revolution.

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JR: „Spirituality is not shopping“ war der Titel Ihrer jüngsten großen Ausstellung im Jüdischen Museum in Wien. Es war eine wunderbare Rauminstallation, verbunden mit einer Orakelbefragung und mit mehr als 100 Zeichnungen bzw. Collagen. „Spirituality“, so behauptet es der Titel, ist dann eben etwas anderes. Und dabei kann man Sätze lesen wie: „Liebe deine Feinde, denn sie geben dir die Möglichkeit zu lernen“, „Wer seiner selbst voll ist, in dem hat G-tt keinen Raum“, „G-TT(Vater)losigkeit, Geschichte und Gegenwart einer fixen Idee“…

ZK: Ich erlebe meine persönliche Annäherung an Spiritualität als einen sehr intensiven Lern- und Arbeitsprozess. Ein paar Schritte vor, ein paar zurück und wieder vor und so weiter. Hin und wieder streite ich auch mit Gott. Hinterfrage meine Überzeugungen. Viele Überzeugungen musste ich am Weg ad acta legen und weiterstreben. Mein momentanes Verhältnis zur Spiritualität entspricht meinem gegenwärtigen Bewusstseinszustand, der ständig in Wandlung und im Wachstum begriffen ist. In gewisser Weise dokumentieren die Zeichnungen diesen Prozess. Ich werde nicht ruhen, bis ich das Schöpfungsprinzip enthüllt habe.

[…]

JR: Abschließend eine Frage: Ihre Arbeit ist sehr persönlich, gerade auch durch die Texte in Ihren Werken geben Sie sehr viel von Ihrer eigenen Weltsicht wider. Wie sehen Sie Ihr eigenes Verhältnis zur Öffentlichkeit? I LOVE GOD lautet Ihre nächste, große Ausstellung. Für mich klingt so viel Aura in diesem Satz, so viel Unbedingtheit. Möchten Sie etwas von dem Mut Preis geben, der Sie zu diesem Titel geführt hat?

ZK: Ich bin davon überzeugt, dass Alles mit Allem und Jeder mit Jedem verbunden ist. „Das Persönliche“ wird allgemeingültig, da es Fragen der gesamten Menschheit sind und nicht nur die der Zenita Komad. Die kommende Ausstellung im Minoritenkloster wird den nächsten Aspekt enthüllen. Ich liebe Gott. Wirklich!

Ausschnitt aus: „GOTT IST nicht NICHTS“: Zenita Komad im Gespräch mit Johannes Rauchenberger, in: kunst und kirche 2/2012, Springer Verlag Wien.